Brief an die Gemeinde im August

Heiligkeit - was ist das überhaupt?

Heilig, perfekt, vollkommen usw. sind Begriffe, die für unsere Generation nicht so leicht religiös zu verstehen sind. Wenn man davon überhaupt redet, dann geht es meistens um eine gewisse Arbeitskultur bzw. einen Perfektionismus, für die das deutsche Volk weltbekannt ist: >Made in Germany<. Wenn das Wort Heiligkeit irgendwann im religiösen Sinn zur Rede kommt, dann geht es meistens um Mutter Theresa von Kalkutta, Franz von Assisi und solche wenigen außergewöhnlichen auserwählten Menschen.

Die Heiligkeit ist nicht ausschließlich auf Moral und Frömmigkeit orientiert. Heiligkeit ist die allgemeine menschliche Berufung, den politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und religiösen Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden. Heiligkeit ist nicht bloß die Herausforderung, außergewöhnliche Dinge zu vollbringen, sondern ist der Anstoß, sich mit Christus zu vereinen und sich seine Haltungen und Gedanken zu eigen zu machen. Wer sich darum bemüht, der ist heilig! Nach biblischem Verständnis sind alle zur Heiligkeit berufen: „Denn Gott hat uns nicht dazu berufen, unrein zu leben, sondern heilig zu sein“ (1 Thes 4,7), weil Gott heilig ist (Seid heilig, denn ich bin heilig). Es ist eine lebenslange Aufgabe: „Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden“ (1 Pet 1,15). Es ist eine Herausforderung: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt, 5,48).

Unser neuer Bischof Heiner Wilmer scheibt in seinem Buch GOTT IST NICHT NETT „Heiligkeit bedeutet aber nicht, dass jemand perfekt ist. Heiligkeit bedeutet nicht, dass ein Mensch ohne Schatten ist und nur noch mit verdrehten Augen im Licht schwebt. Das hebräische Wort für heilig lautet kadosch. Und es bedeutet übersetzt: das ganz Andere. Wer betet: >heilige mich<, der bittet: >ich will zum ganz Anderen werden“. Dieses Anderssein im Sinne Jesu ist nach meiner Meinung die Kraft zur Liebe. Die christliche Heiligkeit ist nichts anderes als die vollkommen gelebte Liebe: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1 Joh 4,16). Also! wer liebt, der ist heilig. Der hl. Franz von Sales sagt, es muss mit mir heute ohne Traurigkeit aber mit Hoffnung beginnen, hier und jetzt: „Meine Vergangenheit kümmert mich nicht mehr, sie gehört dem göttlichen Erbarmen. Meine Zukunft kümmert mich noch nicht, sie gehört der göttlichen Vorsehung. Was mich kümmert und fordert, ist das Heute. Das aber gehört der Gnade Gottes und der Hingabe meines guten Willens.“

Pater Sabu